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Das Wohnungseigentumsobjekt in Österreich, Begründung von Wohnungseigentum, Nutzwertgutachten und Parifizierung

Zum Liegenschaftskauf im Allgemeinen:

Nachdem allfällige Probleme mit einem Objekt und einer späteren Wohnungseigentumsbegründung oft schon im Objekt bzw. den rechtlichen Verhältnissen begründet sein können, empfiehlt es sich, das Objekt bereits vor dem Kauf ausführlich zu prüfen.

Checkliste Liegenschaftskauf:

  • Grundbuchstand samt dazugehöriger Urkunden. Das Hauptbuch im Grundbuch besteht aus Gutsbestandsblatt (A-Blatt), Eigentumsblatt (B-Blatt) und Lastenblatt (C-Blatt).
  • Allfällige Belastungen der Liegenschaft im Grundbuch (z.B. Pfandrechte, Dienstbarkeiten, Belastungs- und Veräußerungsverbote) sowie auch außerbücherliche Lasten (außerhalb des Inhaltes des Grundbuches z.B. durch Mietrechte).
  • Abklärung des Bauzustandes und des Wertes sowie allfälliger Mängel einer Liegenschaft durch einen zuverlässigen Sachverständigen.
  • Anfallende Betriebskosten und zu erwartende Erhaltungsarbeiten inklusive allfälliger Reparaturrücklagen.
  • Flächenwidmung der jeweiligen Liegenschaft.
  • Baurechtliche Bestimmungen und Auflagen, Baubewilligung oder sonstige Bescheide und Gegebenheiten in Bezug auf die jeweilige Liegenschaft.
  • Infrastruktur, Wegerechte, Zufahrten oder sonstige Leitungsrechte etc.
  • Bei Wohnungseigentumsgemeinschaften weitere Abklärungen z.B. in Bezug auf den Wohnungseigentumsvertrag.

Zum Wohnungseigentum und zur Wohnungseigentumsbegründung:

Bei der Rechtsberatung sollten die jeweiligen konkreten individuellen Verhältnisse eines Objektes (z.B. Art und Weise der Nutzung, Art und Umfang der allgemeinen Flächen und der Wohnungsflächen etc.) und auch die jeweils involvierten Personen besonders beachtet werden, um die jeweiligen Inhalte eines Wohnungseigentumsvertrages an die individuellen Verhältnisse anzupassen. Je genauer der Wohnungseigentumsvertrag hier ist und allenfalls spätere Streitigkeiten vorwegnimmt, desto rechtssicherer ist die Situation.

1. Wohnungseigentum Definition:

Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft bzw. einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbstständige Wohnung, eine sonstige selbstständige Räumlichkeit oder einen Kfz-Abstellplatz ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen.

Der Wohnungseigentümer ist immer Miteigentümer der Liegenschaft, er verfügt also auch über einen ideellen Anteil an der gesamten Liegenschaft. Im Unterschied zum "schlichten Miteigentümer" hat der Wohnungseigentümer mit seinem Miteigentumsanteil an der Liegenschaft untrennbar das Recht zur ausschließlichen Nutzung einer bestimmten Wohnung auf dieser Liegenschaft. Dieses Recht wird im Grundbuch eingetragen (Verbücherung). Wohnungseigentum stellt somit eine Sonderform des Miteigentums an einer Liegenschaft dar, nämlich ein Wohnungseigentumsobjekt alleine zu nutzen. Die gesetzliche Grundlage für Wohnungseigentum bildet das Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Wohnungseigentum kann grundsätzlich auf verschiedene Arten begründet werden. So kann Wohnungseigentum auch durch eine gerichtliche Entscheidung oder eine gerichtliche Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen entstehen. Die bei weitem häufigste und üblichste Art der Begründung von Wohnungseigentum ist jene durch schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer mittels Wohnungseigentumsvertrag.

2. Der Wohnungseigentumsvertrag:

Der Wohnungseigentumsvertrag stellt eine schriftliche Vereinbarung über die Veränderung der dinglichen Rechtsposition durch sämtliche Miteigentümer einer Liegenschaft dar, welche hierdurch einer einheitlichen Wohnungseigentumsbegründung an sämtlichen tauglichen Objekten der Liegenschaft zustimmen. Durch diesen wird den jeweiligen Miteigentümern das Recht auf ausschließliche Nutzung bestimmter tauglicher Objekte eingeräumt, aber auch Regelungen hinsichtlich der Verteilung besonderer Aufwendungen, der Verwaltung oder aber der Nutzung der allgemeinen Teile der Liegenschaft sind empfehlenswert.

Der in der Praxis am häufigsten gewählte Wohnungseigentumsvertrag stellt eine der in § 3 Abs 1 WEG genannten möglichen Begründungsformen des Wohnungseigentums dar. Zur wirksamen Begründung von Wohnungseigentum bedarf es zudem des Modus, somit eben der grundbücherlichen Einverleibung.

Gemäß WEG bedarf dieser Schritt notwendigerweise der Schriftform, somit bedarf es der Unterfertigung auf einer Urkunde iSd § 886 ABGB. Die Hauptpunkte des Vertrages unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung dem Formgebot der Schriftlichkeit.

Für die Begründung von Wohnungseigentum muss der Wohnungseigentumsvertrag folgende wesentlichen Vertragspunkte aufweisen:

  • Das in § 1 WEG bezeichnete wechselseitig eingeräumte Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung bestimmter Gebäudeteile. Wenn dies nicht berücksichtigt wird, liegt kein Wohnungseigentumsvertrag iS des § 3 Abs 1 Z 1 WEG vor.
  • Die Zuordnung etwaig vorhandenen Zubehörs (Dachboden-/Keller-/Gartenabteile etc) zu den einzelnen Wohnungseigentumsobjekten ergibt sich hierbei aus dem dem WE-Vertrag zugrunde gelegten Nutzwertgutachten.
  • Jedem Wohnungseigentumsobjekt ist der Mindestanteil laut Nutzwertgutachten beizufügen sowie der sich insgesamt aus der Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte ergebende Gesamtnutzwert der Liegenschaft.

3. Begründung von Wohnungseigentum, Wohnungseigentumsobjekt, Nutzwertfestsetzung:

Um Wohnungseigentum begründen zu können, müssen somit eben die angeführten selbstständigen Wohnungseigentumsobjekte, die zur ausschließlichen Nutzung sodann dienen, vorhanden sein und sind die entsprechenden Nutzwerte durch einen Sachverständigen/Ziviltechniker festzulegen. Die Nutzwerte werden in einem Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen ermittelt. Der Nutzwert basiert auf der Nutzfläche des Objektes und ist um diverse Zuschläge zu vermehren und Abstriche zu vermindern. Das WEG führt hier beispielsweise die Stockwerkslage, die Lage innerhalb eines Stockwerkes oder die Ausstattung an. Bei der ersten Wohnungseigentumsbegründung bzw. erstmaligen Nutzwertfestsetzung ist es notwendig, dass immer eine Gesamtparifizierung des Objektes erfolgt. Das sodann von einem Ziviltechniker oder Sachverständigen erstellte Nutzwertgutachten ist in der Folge die Voraussetzung der Begründung von Wohnungseigentum.

Oft wird ein Kaufvertrag auch mit einem Wohnungseigentumsvertrag verbunden bzw. kombiniert und enthält dieser Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag Angaben über den jeweiligen Kauf sowie auch die vorzunehmende Wohnungseigentumsbegründung. Dieser Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag zielt somit auf die Begründung von Wohnungseigentum sowie den Kauf einer bestimmten Anzahl von Anteilen einer Liegenschaft ab. Aus diesem Grund ist in einem derartigen Vertrag in der Regel auch das entsprechende Nutzwertfeststellungsgutachten eines Sachverständigen enthalten, welches die einzelnen Wohnungseigentumsobjekte samt Lage, Fläche, Nutzwert etc. anführt.

Gemäß § 16 WEG steht die Nutzung des Wohnungseigentumsobjektes ausschließlich dem Wohnungseigentümer zu. Der Wohnungseigentümer hat das Wohnungseigentumsobjekt und die dafür bestimmten Einrichtungen, insbesondere die Strom-, Gas- und Wasserleitungen sowie die Beheizungs- und sanitären Anlagen, auf seine Kosten so zu warten und in Stand zu halten, dass den anderen Wohnungseigentümern kein Nachteil erwächst. Er hat ferner das Betreten und die Benützung des Wohnungseigentumsobjekts zu gestatten, soweit dies zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft und der Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist; für die vermögensrechtlichen Nachteile, die er dadurch erleidet, ist er von der Eigentümergemeinschaft angemessen zu entschädigen.

Um spätere Konflikte zwischen den Wohnungseigentümern auszuschließen bzw. im Vorhinein zu vermindern, ist es zu empfehlen, den jeweiligen Wohnungseigentumsvertrag individuell auf das gegenständliche Objekt und die Wohnungseigentümer zuzuschneiden. So ist in der Praxis die Abgrenzung der Erhaltungspflicht einzelner Wohnungseigentümer in Bezug auf z.B. das Wohnungseigentumsobjekt und die Eigentümergemeinschaft als Gesamtes betreffend z.B. allgemeine Teile von oft entscheidender Bedeutung. Die Erhaltungspflicht des Wohnungseigentümers bezieht sich in der Regel nur auf das Innere des Wohnungseigentumsobjektes. In Bezug auf allgemeinen Flächen bzw. die Erhaltung allgemeiner Teile einer Liegenschaft, welche somit eben nicht das einzelne Wohnungseigentumsobjekt direkt betreffen, ist die Eigentümergemeinschaft zuständig.

Wenn ein Gebäudeteil sowohl von einzelnen Wohnungseigentümern genutzt wird als auch der Allgemeinheit zugute kommt, ist im Falle von nicht klaren Vereinbarungen die Frage, wer die Erhaltungsmaßnahmen tragen muss oder wer welche Benützungsrechte hat, oft ein Streitfall. In der Regel geht es hier meistens um Außenfenster, Rolläden, Wohnungseingangstüren, gemeinsam genutzte Gärten oder Abstellflächen, in der Wand verlegte Leitungen aber auch Terrassen und Balkone.

4. Empfohlene Vorgehensweise beim Kauf einer Liegenschaft/Wohnung/Haus und der Begründung von Wohnungseigentum:

Wenn ein Objekt bzw. eine Liegenschaft erworben und auch Wohnungseigentum begründet werden soll, können folgende Schritte allgemein empfohlen werden:

  1. Erstprüfung der Liegenschaft gemäß der oben angeführten Checkliste zum Liegenschaftskauf.
  2. Auswahl eines qualifizierten Sachverständigen und ausführlichere Prüfung der Liegenschaft und Evaluierung der Vorgehensweise gemeinsam mit dem Sachverständigen; dies insbesondere in Bezug auf baurechtliche Aspekte und die Begründung von Wohnungseigentum aus technischer Sicht bzw. Sicht des Sachverständigen.
  3. Evaluierung der entsprechenden Bedürfnisse der zukünftigen Wohnungseigentümer in Bezug auf die Wohnungseigentumsobjekte sowie unter anderem notwendige Benützungsregelungen und Erhaltungsregelungen; dies betrifft unter anderem folgende Fragestellungen:
    1. Wer erhält welches Objekt zur ausschließlichen Nutzung.
    2. Wie wird mit den allgemeinen Teilen der Liegenschaft verfahren; insbesondere wie und auf Basis welcher Vereinbarung diese von den Wohnungseigentümern gemeinsam genutzt werden können (Benützungsregelungen) und wie entsprechend dieser Benützungsregelungen die Erhaltung und die daraus resultierenden Kosten zu regeln sind.
    3. Aufteilung der Aufwendungen für die Liegenschaft (z.B. Betriebskosten, Instandhaltungsrücklage etc.) nach den Nutzwerten oder nach einem abweichenden Aufteilungsschlüssel. Allenfalls auch Sonderregeln wie z.B. beim Austausch der Fenster eines Wohnungseigentumsobjektes.
    4. Klärung der Frage der Verwaltung der Liegenschaft: Selbstverwaltung oder Beauftragung eines Hausverwalters.
  4. Erstellung eines Gutachtens eines Sachverständigen über die Anzahl der selbständigen wohnungseigentumsfähigen Objekte der Liegenschaft samt Nutzwertfestsetzung („Parifizierung“).
  5. Ausarbeitung und Ausverhandlung des Wohnungseigentumsvertrages samt Unterfertigung.
  6. Allenfalls Eintragungen von Eigentumsrechten oder ansonsten zweckmäßiger Dienstbarkeiten, Reallasten etc.
  7. Grundbücherliche Eintragung (Verbücherung) des Wohnungseigentumsvertrages bzw. allfälliger sonstiger Rechte und Pflichten

Ihr Law Experts Rechtsanwalt für dieses Rechtsgebiet: Dr. Wiesflecker, Rechtsanwälte Österreich, Attorneys Austria.

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